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Die Situation: Als Neupatient betritt der 23-jährige Herr Halal den Behandlungsraum. Er berichtet, dass er seit 2-3 Tagen unter einem geröteten rechten Auge leidet. Es würde jucken und brennen, auf der linken Seite habe er aber keine Beschwerden. Keine Schmerzen, kein Jucken. Weitere Informationen gibt der Patient, wohl auch sprachlich bedingt, von sich aus nicht. 

Erster Eindruck - Was sind Ihre ersten Gedanken? Welche Erkrankungen/ Probleme kommen in Frage? Der initiale Ersteindruck des Patienten ist wenig ergiebig, da wir bis auf ein einseitig gerötetes Auge mit Pruritus nicht viele Informationen haben. Somit müssen wir uns aktuell eher an Wahrscheinlichkeiten halten: Eine häufige Differentialdiagnose mit dieser Symptomkostellation stellen die infektiöse und die allergische Konjunktivitis dar, seltener auch eine andere nicht-infektiöse Konjunktivitis. Hier lauert auch direkt ein Fallstrick: Alle geröteten oder juckenden Augen werden in der besonders in der Hausarztpraxis häufig ohne wesentliche Überlegungen als infektiöse Konjunktivits behandelt. Daher ist hier eine anfängliche differentialdiagnostik besonders wichtig. Alternativ ist hier die Überlegung nach einer Uveitis, insbesondere die Uveitis anterior in Betracht zu ziehen.

Anamnese - Welche Fragen Stellen Sie? Die Grundlegenden Fragen nach Allergien, Regelmedikation und Vorerkrankungen sollte bei jedem neuen Patienten als Minimum gestellt werden. Im vorliegenden Fall sollte ebenfalls nochmal spezifisch nach Allergien wie Heuschnupfen oder Hausstauballergien gefragt werden. Eine Reiseanamnese oder im vorliegenden Fall die Anamnese der Herkunft und die Frage, seit wann sich der Patient bereits in Deutschland aufhält (dies ist zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des eines möglichen Erregers wichtig, vergleiche hierfür das Trachom vs. Paratrachom). Der Beruf MUSS erfragt werden (Gemeinschaftseinrichtungen!!), Haustiere, häufigere Schwimmbad oder Saunabesuche. Ferne müssen die Beschwerden weiter detailiert werden: Beginn (seit längerem schon unterschwellig oder nur seit 2-3 Tage und vorher völlig beschwerdefrei), purulenter Ausfluss, Photophobie, Visusminderung, vorangegangene (Augen-)operationen oder Bestrahlungen. Im Falle des aktuellen Patienten können wir eruieren, dass keine Allergien vorliegen, keine Medikamente, keine Vorerkrankungen, keine Haustiere, die Familienanamnese sei leer, er ist Student der Hydrowissenschaften und seit 2 Jahren in Deutschland, ein letzter Heimatbesuch im Iran war vor 4 Monaten. Keine Voroperation oder Radiatio, keine Visusminderung, aber regelmäßig auftretenden "Lichtblitze" und Photophobie.

Klinische Untersuchung: Welche körperlichen Befunde erheben Sie? Bevor wir den Patienten berühren müssen wir den Eigenschutz beachten, ergo HANDSCHUHE ANZIEHEN, da eine eventuelle infektiöse Konjunktivitis hoch ansteckend sein kann. Wir untersuchen die Augen des Patienten zunächst einfach augenoptisch und achten dabei auf das Muster der Gefäßinjektionen (konjunktival vs. ziliär vs. gemischt), wir ektropieren das Oberlid soweit möglich und sehen uns generell die Gesichtshaut an (Rosacea oder ander infektiöse Hauterkrankungen?). Bei unserem Patienten finden wir ein gemischtes Injektionsmuster mit trübem Ausfluss und Epiphora (Tränenträufeln) ohne weitere Auffälligkeiten.

Apparative Diagnostik - Benötigen Sie weitere Untersuchungen? Sollten die erhobenen Befunde eher auf eine allergische Genese hindeuten, wäre hier eine allergologische Testung angezeigt, da bei diesem Pat. bisher keine Allergien bekannt sind. Bei einer möglichen toxischen Genese kann eine Blutuntersuchung zur Sicherung des möglichen Toxins durchgeführt werden. Falls von Beginn an der Verdacht auf eine Uveitis anterior besteht, kann bereits vor der Überweisung zum Fachkollegen ein Röntgen Thorax angefertigt werden (Stichwort Sarkoidose).

Arbeitsdiagnose/ Differentialdiagnosen - Zu welchem Schluss kommen Sie nun? Im aktuellen Fall erschien aufgrund der Anamnese und der Klinik aktuell eine infektiöse Konjunktivitis am wahrscheinlichsten, eine allergische oder sonstige nicht-allergische Konjunktivitis wirkte bei keinen anamnestischen Hinweisen oder sonstigen eher im Hintergrund stehend. Die Manifestation einer Uveitis anterior (gemische Gefäßinjektionen, also auch ziliäre Anteile) sollte generell immer im Hinterkopf behalten werden.

Weiteres Vorgehen - Welche Therapie oder welches Procedere besprechen Sie mit dem/ der Pat.? Wie sieht ihr genereller Plan aus? Zunächst ist zu bedenken, dass auch eine infektiöse Konjunktivitis nicht immer zwingend antibiotikapflichtig sind, da sich diese häufig selbst limitieren. Zumeist handelt es sich auch um virale Primärinfektionen mit ggf. bakterieller Superinfektion. Eine topische Behandlung mit einem Antibiotikum verkürzt aber die Krankheitsdauer und somit meist auch die Ansteckungsmöglichkeiten. Wenn man sich für diese Therapie entscheidet, dann muss eine ausreichende Anwendungsdauer angeleitet werden, hier i.d.R. mindestens 5 Tage, zusätzlich müssen immer beide Augen behandelt werden, da die Infektion durch unbewusstes Manipulieren häufig ins bis dato gesunde Auge getragen wird. Sollte es sich um ein erkranktes Kind handeln, so sollte dies dringend zuhause behalten und NICHT in eine Gemeinschaftseinrichtung geschickt werden. Dies gilt auch für Erwachsene in einem entsprechenden Beruf. Zusätzlich ist generell zu beachten, dass jede Art von unsicherem/ unklarem Befund ophthalmologisch vorgestellt werden sollte, da eine genauere Untersuchung wie die Spaltlampe in der Hausarztpraxis in der Regel nicht zur Verfügung steht. Zuletzt muss der Patient darüber aufgeklärt werden, dass bei einer ausbleibenden Besserung nach 4-5 Tagen unbedingt eine nochmalige ärztliche Vorstellung erfolgen muss. Bei diesem Patienten entschieden wir uns für die Verordnung von fluorchinolonhaltigen Augentropfen (Ofloxacin) mit passender Augensalbe zur Anwendung in der Nacht.

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