Die Situation: In der Anamnese berichtet Frau Teichmann, dass sie seit mehreren Jahren unter einer chronischen Venenerkrankung leidet und häufig geschwollene Beine hat, vor allem am Abend. Sie gibt an, dass sie sich in letzter Zeit weniger bewegt hat, da sie aufgrund von Arthrose in den Knien Schmerzen beim Gehen hat. Sie nimmt regelmäßig Medikamente gegen Bluthochdruck und eine Herzinsuffizienz ein. Sie hat keine bekannten Allergien und raucht seit ihrem 50. Lebensjahr nicht mehr. Sie hatte vor sechs Monaten eine leichte Lungenentzündung, von der sie sich jedoch vollständig erholt hat. In der Familie gibt es keine bekannten Fälle von Thrombosen oder anderen Gefäßerkrankungen.
Erster Eindruck - Was sind Ihre ersten Gedanken? Welche Erkrankungen/ Probleme kommen in Frage? Alleine durch die berichtete Geschichte müssen wir an die komplette Differentialdiagnostik bzgl. Beinödemen und Unterschenkelrötung denken. Da es sich hier um eine ganze Menge Diagnosen handelt, müssen wir diese im Folgenden eingrenzen.
Anamnese - Welche Fragen Stellen Sie? Eine gründliche Anamnese ist essentiell, um die Ursache der Beschwerden von Frau Teichmann herauszufinden und eine gezielte Diagnostik und Therapie einzuleiten. Daher stellen wir folgende Fragen: Dauer und Verlauf der Schwellung: Seit wann sind die Beine geschwollen? Hat sich die Schwellung allmählich entwickelt oder plötzlich? Veränderungen der Symptome: Hat sich die Schwellung im Verlauf der Zeit verändert? Ist sie schlimmer geworden? Gibt es Unterschiede zwischen den Tageszeiten? Treten die Schwellungen beispielsweise abends stärker auf? Begleitsymptome: Haben Sie Schmerzen in den Beinen? Wenn ja, wo genau und wie stark sind diese Schmerzen? Haben Sie eine Wärmeempfindung oder Rötung in den betroffenen Bereichen bemerkt? Sind die Beine nur geschwollen oder gibt es auch andere Veränderungen wie Verfärbungen oder Hautveränderungen? Vorherige medizinische Vorgeschichte: Leiden Sie an bekannten chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Nierenerkrankungen oder venösen Insuffizienzen? Haben Sie in der Vergangenheit ähnliche Beschwerden gehabt? Wenn ja, wie wurden diese behandelt und was war die Diagnose? Medikamente und Allergien: Welche Medikamente nehmen Sie aktuell ein? Haben Sie in letzter Zeit neue Medikamente begonnen oder bestehende abgesetzt? Haben Sie bekannte Allergien, insbesondere gegen Medikamente oder topische Produkte? Lebensstil und Aktivitäten: Wie viel bewegen Sie sich im Alltag? Haben Sie Ihre Aktivität in letzter Zeit eingeschränkt? Haben Sie in letzter Zeit längere Reisen unternommen oder waren Sie längere Zeit immobil? Risikofaktoren und familiäre Anamnese: Haben Sie oder Ihre Familienangehörigen eine Vorgeschichte mit Thrombosen oder anderen Gefäßerkrankungen? Rauchen Sie oder haben Sie in der Vergangenheit geraucht? Hautsymptome und Pflege: Seit wann besteht der Juckreiz? Hat sich dieser ebenfalls im Verlauf verändert? Haben Sie die betroffenen Hautstellen gekratzt? Wenn ja, gibt es sichtbare Hautläsionen oder -verletzungen? Durch diese umfassenden Fragen können wir ein detailliertes Bild der Beschwerden und möglicher Ursachen gewinnen.
Klinische Untersuchung: Welche körperlichen Befunde erheben Sie? Wir untersuchen Frau Teichmann gründlich. Bei der Inspektion der Beine zeigt sich eine beidseitige, teigige Schwellung der Unterschenkel, die bis in die Kniekehlen reicht. Die Haut ist gerötet, warm und zeigt Anzeichen von trophischen Störungen. Auffällig sind mehrere kleine Ulzerationen und ekzematöse Veränderungen, insbesondere im Bereich der medialen Malleolen. Der Juckreiz scheint durch Kratzen verschlimmert zu werden, und es sind Kratzspuren sichtbar. Die Palpation zeigt keine eindeutigen Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT), wie eine druckschmerzhafte Wade oder einen positiven Homans-Zeichen. Allerdings sind die Unterschenkel stark schmerzhaft bei Druck. Es gibt keine Zeichen einer allgemeinen Infektion, wie Fieber oder allgemeines Krankheitsgefühl, was einen Hinweis auf ein Erysipel oder eine Unterschenkelphlegmone weniger wahrscheinlich macht.
Apparative Diagnostik - Benötigen Sie weitere Untersuchungen? Bevor wir eine apparative Diagnostik im Bezug auf eine TVT anordnen, müssen wir obligat den Wells-Score für TVT durchführen, um die Vortestwahrscheinlichkeit zu erhöhen: Klinische Zeichen einer tiefen Venenthrombose (TVT) wie Schwellung des gesamten Beines und Druckschmerz entlang der tiefen Venen (+3 Punkte) Immobilisation oder kürzliche Operation (keine Punkte) Tachykardie (keine Punkte) Hämoptyse (keine Punkte) Frühere tiefe Venenthrombose (keine Punkte) Malignom in den letzten sechs Monaten (keine Punkte) Frau Teichmann erhält einen Wells-Score von 1, was eine niedrige bis moderate Vortestwahrscheinlichkeit für eine TVT anzeigt. Aufgrund der Symptome und des Scores wird dennoch eine weitere Diagnostik in Betracht gezogen. Apparative Diagnostik Um die Verdachtsdiagnosen weiter abzuklären, führen wir mehrere diagnostische Maßnahmen an: Duplexsonographie der Beinvenen: Diese Untersuchung dient dazu, das Vorliegen einer TVT auszuschließen oder zu bestätigen. Hierbei werden die Venen auf Thromben untersucht und die venöse Flussrichtung überprüft. Laboruntersuchungen: Dazu gehören ein großes Blutbild, CRP und D-Dimere, um Hinweise auf eine systemische Entzündung oder eine Thrombose zu erhalten. Wundabstrich: Bei den Ulzerationen und ekzematösen Veränderungen wird ein Abstrich genommen, um eine bakterielle Superinfektion auszuschließen und gegebenenfalls gezielt zu behandeln.
Arbeitsdiagnose/ Differentialdiagnosen - Zu welchem Schluss kommen Sie nun? Angesichts der Symptome von Frau Teichmann können wir folgende Differentialdiagnosen erwägen: Stauungsdermatitis (Stauungsekzem): Aufgrund der chronischen Venenerkrankung und der beobachteten Veränderungen der Haut sowie des bestehenden Juckreizes ist eine Stauungsdermatitis wahrscheinlich. Tiefe Venenthrombose (TVT): Obwohl keine eindeutigen klinischen Zeichen einer TVT vorliegen, kann diese aufgrund der Immobilisation und der Vorerkrankungen nicht ausgeschlossen werden. Erysipel: Eine bakterielle Infektion der Haut und des Unterhautfettgewebes, die durch Streptokokken verursacht wird. Typische Zeichen wären eine scharf begrenzte Rötung und Fieber. Unterschenkelphlegmone: Eine tiefere Infektion des Gewebes, die sich durch diffuse Rötung, Schwellung und Schmerzen auszeichnet.
Weiteres Vorgehen - Welche Therapie oder welches Procedere besprechen Sie mit dem/ der Pat.? Wie sieht ihr genereller Plan aus? Therapie Kompressionstherapie: Die Anwendung von Kompressionsverbänden oder -strümpfen zur Reduktion der venösen Stauung und zur Unterstützung des venösen Rückflusses. Frau Teichmann wird angeleitet, wie sie diese korrekt anlegt. Topische Therapie: Anwendung von kortikosteroidhaltigen Salben zur Linderung des Juckreizes und zur Behandlung der entzündlichen Hautveränderungen. Zudem wird eine pflegende, rückfettende Creme zur Unterstützung der Hautbarriere empfohlen. Bewegungstherapie: Trotz ihrer Arthrose wird Frau Teichmann zu regelmäßiger, schonender Bewegung motiviert, um die Muskelpumpe zu aktivieren und die venöse Zirkulation zu verbessern. Schwimmen oder Aquagymnastik wären hierbei besonders vorteilhaft. Hochlagerung der Beine: Frau Teichmann wird geraten, die Beine so oft wie möglich hochzulagern, um den venösen Rückfluss zu fördern. Regelmäßige Kontrolle: Weitere regelmäßige Kontrolltermine zur Überwachung des Behandlungsverlaufs und zur Anpassung der Therapie sind notwendig. Schlussendlich besprechen wir mit Frau Teichmann auch die Möglichkeit einer kardiologischen Abklärung, um die Herzinsuffizienz optimal zu managen, da diese einen erheblichen Einfluss auf die venöse Stauung haben kann. Abschließend betonen wir die Wichtigkeit der konsequenten Durchführung der empfohlenen Maßnahmen, um die Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.