Die Situation: Herr Christoph Meier (19 Jahre) präsentiert Ihnen recht wortkarg die folgende Effloreszenz. "Das ist seit ein paar Tagen so, das hab ich noch nie gesehen". Meine Mutter hat mich nun zu Ihnen geschickt, ich soll das mal abklären lassen.
Erster Eindruck - Was sind Ihre ersten Gedanken? Welche Erkrankungen/ Probleme kommen in Frage? Der initiale Ersteindruck des Patienten ist wenig ergiebig, da wir bis auf ein einseitig gerötetes Auge mit Pruritus nicht viele Informationen haben. Somit müssen wir uns aktuell eher an Wahrscheinlichkeiten halten: Eine häufige Differentialdiagnose mit dieser Symptomkostellation stellen die infektiöse und die allergische Konjunktivitis dar, seltener auch eine andere nicht-infektiöse Konjunktivitis. Hier lauert auch direkt ein Fallstrick: Alle geröteten oder juckenden Augen werden in der besonders in der Hausarztpraxis häufig ohne wesentliche Überlegungen als infektiöse Konjunktivits behandelt. Daher ist hier eine anfängliche differentialdiagnostik besonders wichtig. Alternativ ist hier die Überlegung nach einer Uveitis, insbesondere die Uveitis anterior in Betracht zu ziehen.
Anamnese - Welche Fragen Stellen Sie? Um die Ursache der Hautveränderung besser einzugrenzen, sollten mehrere Fragen gestellt werden. Zunächst ist es wichtig zu wissen, ob Herr Meier in letzter Zeit Kontakt mit Personen hatte, die ähnliche Hautveränderungen haben. Hatte der Patient vor kurzem eine Infektionskrankheit? Es sollte auch geklärt werden, ob er neue Hautpflegeprodukte, Kosmetika oder Medikamente verwendet hat. Eine Familienanamnese bezüglich Hauterkrankungen könnte ebenfalls aufschlussreich sein. Weiterhin ist es relevant, ob Herr Meier kürzlich Infektionen oder Fieber hatte, oder ob er allergische Reaktionen auf bestimmte Stoffe oder Lebensmittel bemerkt hat. Es sollte auch gefragt werden, ob die Hautveränderung schmerzhaft ist oder juckt, und ob er sich an dieser Stelle verletzt oder gestochen hat. Schließlich ist es wichtig zu wissen, ob er kürzlich neue Medikamente, insbesondere Antibiotika oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), eingenommen hat. Im Falle des Patienten können wir eruieren, dass vor ca. 1 Woche ein subfebriler Infekt der Tonsillen vorgelegen, hat, welcher aber zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt ist. Chronische Erkrankungen bestehen nur in der Form eine (aktuell nicht aktiven) Heuschnupfens, alle weiteren Fragen werden negiert.
Klinische Untersuchung: Welche körperlichen Befunde erheben Sie? Eine gründliche Untersuchung der betroffenen Hautstelle ist notwendig. Hierzu zählt die Inspektion der Hautläsion auf Größe, Form, Begrenzung und Tiefe. Eine Palpation zur Beurteilung der Konsistenz, Temperatur und Sensibilität der Läsion ist ebenfalls erforderlich. Auch die umliegenden Hautareale sollten auf ähnliche Veränderungen untersucht werden. Zudem ist die Beurteilung der regionalen Lymphknoten auf Vergrößerung oder Druckschmerz wichtig. Eine Inspektion der Schleimhäute (Mund, Augen, Genitalien) sollte ebenfalls erfolgen, um eine mögliche Beteiligung auszuschließen. Wie bereits anfangs bemerkt, handelt es sich um einen glatt berandetes , sog. kokardenförminges Exanthem am linken Mundwinkel und am linken Nasenflügel. Besonders die fast kreisrunde Ausprägung mit zentral gelegenen unauffälligen Hautstellen.
Apparative Diagnostik - Benötigen Sie weitere Untersuchungen? Eine apparative Diagnostik stellt vorerst keine Maßnahme der ersten Wahl dar. Bei Unsicherheiten bzgl. der Genese ist aber eine Blutentnahme mit Entzündungsparametern zur Feststellung einer möglichen systemischen Beteiligung möglich. Ein Abstrich der Läsion ist nur sinnvoll, wenn hier tatsächlich Exsudat gewonnen werden kann, ein Abstrich der trockenen Haut ist wenig zielführend, da hier i.d.R. nur eine Kontamination physiologischer Hautkeime nachgewiesen wird. Wenn im Verlauf so gar keine Besserung auftritt, kann sich die Option der Hautbiopsie offen gehalten werden.
Arbeitsdiagnose/ Differentialdiagnosen - Zu welchem Schluss kommen Sie nun? Basierend auf dem klinischen Bild und den Anamneseinformationen kommt vornehmlich ein Erythema multiforme in Betracht, eine akute, selbstlimitierende Hauterkrankung, die durch symmetrische, scheibenförmige Läsionen mit einer charakteristischen Zielscheibenmusterung (target lesions) gekennzeichnet ist und oft durch Infektionen (z.B. Herpes simplex) oder Medikamente ausgelöst wird. Eine weitere Möglichkeit ist eine Dermatophytose (Tinea), die schuppende, entzündliche Hautveränderungen mit ringförmigem Rand hervorruft. Eine Impetigo contagiosa, die meist durch Staphylococcus aureus oder Streptococcus pyogenes ausgelöst wird, könnte eine dritte Möglichkeit sein. Allerdings sind hier das Alter eher untypisch und die klassischen honiggelben Krusten fehlen. Eine Herpes simplex Infektion könnte ebenfalls vorliegen, hier fehlen aber die flüssigkeitsgefüllten Papeln.
Weiteres Vorgehen - Welche Therapie oder welches Procedere besprechen Sie mit dem/ der Pat.? Wie sieht ihr genereller Plan aus? Hier kommt es nun darauf an welche Differentialdiagnose vor Ort als wahrscheinlicher angesehen wird. Aufgrund des aktuellen Befundes und der kürzlich zurückliegenden Infektionskrankheit haben wir hier als wahrscheinlichsten ein Erythema (exsudativum) multiforme angenommen. Diese verläuft selbstlimitierend (was sich in einer Kontrolle eine Woche später bestätigte), lediglich eine bedarfsgerechte Analgesie und topische Supportiva (Dexpanthenol, Kamilleextrakt, bei starken Lokalbeschwerden auch cortisolhaltige Cremes) sollte hier verordnet werden. Wenn eher eine Impetigo contagiosa vermutet wird, sollte diese hingegen immer mit einem topischen Antibiotikum (i.d.R. Fusidinsäure - mehrfach täglich dünn auftragen), bei Ausbreitung der Effloreszenzen oder systemischen Beschwerden auch als perorale Antibiotikagabe (Niedergenerations-Cephalosporine). Eine durch Dermatophyten ausgelöste Tinea hingegen wird topisch mittels topischer (Clotrimazol) oder systemischer (Terbinafin - CAVE: Überwachung der Leberenzyme) antimykotischer Therapie behandelt.