Die Situation: Ein 86jähriger Patient betritt das Sprechzimmer. Sie bemerken, dass er etwas humpelt, das Gehen scheint ihm offenbar Mühe zu bereiten. Nachdem er sich gesetzt hat, beginnt er zu berichten: "Vor drei Tagen habe ich plötzlich eine rote Stelle auf meinem Fuß bemerkt. Seitdem ist die größer geworden und tut nun auch empfindlich weh." Als Sie ihn bitten den Schuh auszuziehen, finden Sie folgendes Bild vor.
Erster Eindruck - Was sind Ihre ersten Gedanken? Welche Erkrankungen/ Probleme kommen in Frage? Differentialdiagnostik Bei der Betrachtung der klinischen Präsentation des Patienten und der Anamnese kommen mehrere Differentialdiagnosen in Frage: Erysipel (Wundrose): Eine akute, bakterielle Infektion der Haut und des subkutanen Gewebes, typischerweise verursacht durch Streptokokken. Charakteristisch sind eine scharf begrenzte Rötung, Schwellung, Schmerzen und oft Fieber. Unterschenkelphlegmone: Eine tiefergehende, diffuse Infektion des Weichgewebes, häufig durch Streptokokken oder Staphylokokken verursacht. Im Gegensatz zum Erysipel ist die Rötung weniger scharf begrenzt und die Infektion erstreckt sich tiefer ins Gewebe. Insektenbiss: Lokale Reaktionen auf Insektenstiche oder -bisse können zu Rötung, Schwellung und Schmerz führen. Eine bakterielle Superinfektion ist möglich. Malum perforans: Ein neuropathisches Ulkus, häufig bei diabetischen Patienten, das durch eine chronische Druckbelastung und eine gestörte Wundheilung entsteht. Diese Läsionen sind oft schmerzlos aufgrund der begleitenden Neuropathie, können aber bei Superinfektionen schmerzhaft sein.
Anamnese - Welche Fragen Stellen Sie? Um die Verdachtsdiagnosen weiter einzugrenzen, ist eine ausführliche Anamnese erforderlich: Beginn und Verlauf der Symptome: Wann haben die Symptome begonnen? Wie haben sich die Rötung und Schwellung entwickelt? Begleitsymptome: Fieber, Schüttelfrost oder systemische Symptome? Veränderungen des allgemeinen Wohlbefindens? Vorerkrankungen: Diabetes mellitus, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), chronische Venenerkrankungen? Medikamente: Aktuelle Einnahme von Medikamenten, insbesondere Immunsuppressiva oder Antikoagulanzien? Trauma oder Verletzungen: Gab es kürzlich Verletzungen oder kleine Wunden am betroffenen Fuß? Insektenkontakt: Kontakt mit Insekten oder Zeckenbissen in letzter Zeit? Lebensstil und Fußpflege: Häufige Belastung der Füße, Tragen von ungeeignetem Schuhwerk, Fußpflegegewohnheiten?
Klinische Untersuchung: Welche körperlichen Befunde erheben Sie? Die klinische Untersuchung umfasst eine gründliche Inspektion und Palpation des betroffenen Fußes: Inspektion: Ausdehnung und Begrenzung der Rötung, mögliche Eiteransammlungen oder Ulzerationen, Hautspannung und Temperaturerhöhung. Palpation: Schmerzen, Druckempfindlichkeit, Schwellung, Fluktuation bei möglichen Abszessen. Vitalparameter: Fieber, Tachykardie, Blutdruckveränderungen, die auf eine systemische Infektion hinweisen könnten. Sensibilität und Durchblutung: Prüfung auf periphere Neuropathien und Durchblutungsstörungen durch Pulspalpation und Kapillarfüllzeit.
Apparative Diagnostik - Benötigen Sie weitere Untersuchungen? Zusätzliche Untersuchungen können notwendig sein, um die Diagnose zu sichern: Laboruntersuchungen: Blutbild, CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) zur Entzündungsdiagnostik, Blutzucker zur Überprüfung auf Diabetes mellitus. Mikrobiologische Untersuchungen: Abstriche der Läsion zur Erregerbestimmung und Antibiogramm. Bildgebung: Ultraschall des betroffenen Bereichs zum Ausschluss tieferliegender Abszesse oder Phlegmonen. In speziellen Fällen Röntgen oder MRT bei Verdacht auf eine tiefergehende Infektion oder Osteomyelitis. Doppler-Sonographie: Zur Beurteilung der arteriellen und venösen Durchblutung bei Verdacht auf pAVK.
Arbeitsdiagnose/ Differentialdiagnosen - Zu welchem Schluss kommen Sie nun? Da der Patient von keinem Insektenbiss berichtet ist dieses eher unwahrscheinlich. Dies ist aber nicht immer eindeutig anamnestisch festzustellen, da besonders im Sommer unbemerkte Insektenbisse /-stiche häufig sind. Beim aktuellen Befund muss sich aber gefragt werden, ob der Unterschied hier überhaupt wichtig ist, da dies auch die Eintrittspforte für Erreger sein kann, sodass in der Folge ein Erysipel/ eine Phlegmone entstehen kann. Aufgrund der glatten Berandung der Rötung steht hier die Arbeitsdiagnose eines Erysipels an erster Stelle.
Weiteres Vorgehen - Welche Therapie oder welches Procedere besprechen Sie mit dem/ der Pat.? Wie sieht ihr genereller Plan aus? Die Therapie richtet sich nach der gestellten Diagnose: Erysipel: Antibiotische Behandlung, in der Regel Penicillin peroral oder Amoxicillin/Clavulansäure. Bei Penicillin-Allergie Clindamycin oder Erythromycin. Lokale Kühlung und Hochlagerung des betroffenen Beins. Schmerztherapie nach Bedarf. Unterschenkelphlegmone: Aminopenicillin + Betalactamaseinhibitor, genaue und engmaschige Nachkontrolle, ggf. chirurgische Spaltung und stat. Aufnahme. Insektenbiss: Antihistaminika und Kortikosteroide zur Reduktion der Entzündungsreaktion. Bei Superinfektion antibiotische Therapie. Malum perforans: Druckentlastung durch geeignetes Schuhwerk oder orthopädische Hilfsmittel. Wundversorgung und ggf. antibiotische Therapie bei Infektion. Optimierung der Blutzuckereinstellung bei diabetischen Patienten. Zusätzlich sollte der Patient auf eine regelmäßige Fußpflege und Kontrolle hingewiesen werden, um zukünftigen Komplikationen vorzubeugen. Der Hallux valgus und die Onychomykose sollten ebenfalls behandelt werden, um die allgemeine Fußgesundheit zu verbessern und das Risiko weiterer Infektionen zu reduzieren. Insgesamt erfordert dieser Fall ein sorgfältiges Management und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, um eine schnelle und effektive Behandlung zu gewährleisten und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.